Glücklich werden: Tipps von Glücksministerin Gina Schöler
Glücklich ist, wer den Blick für die kleinen und großen Glücksmomente hat. Gina Schöler, Leiterin der bundesweiten Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“, weiß, worin der Schlüssel zum Glücklichsein liegt und warum Pöbelpausen wichtig sind.
Gibt es eine Glücksformel?
Gina Schöler: Glück ist sehr individuell, und ich bin der festen Überzeugung, dass jede und jeder eine eigene Definition von Glück hat – welche sich auch im Laufe des Lebens verändern kann! Eine wirkliche Glücksformel, ein Patentrezept für Wohlbefinden gibt es meiner Ansicht nach daher nicht. Dafür ist Glück einfach viel zu subjektiv.
Auch wenn das zunächst vielleicht etwas ernüchternd klingen mag: Der Schlüssel zum guten Leben liegt darin, zu erkennen, dass wir selbst aktiv etwas dafür tun können. Es geht nicht darum, passiv darauf zu warten, uns im Suchen zu verlieren oder Verantwortung abzugeben, sondern darum, den ersten Schritt zu gehen, das Glück in die eigenen Hände zu nehmen und es somit für sich selbst und andere erlebbar zu machen.
Wenn das Leben gerade sauer schmeckt, wie kann ich es versüßen?
Zunächst einmal ist es völlig normal, dass nicht immer alles nach Plan und rund läuft. Neben den schönen Zeiten gibt es nun einmal auch diejenigen, die uns nicht so gut gefallen.
Wenn wir diese Achterbahnfahrt des Lebens mit all ihren Höhen und Tiefen akzeptieren – und dann wiederum das Beste daraus machen –, sind wir dem Glück schon ein gutes Stück näher.
Wir können aber auch gezielt handeln, um uns das Leben zu versüßen. Selbstfürsorge, Achtsamkeit und Hilfsbereitschaft sind die Zauberwörter.
Wie lassen sich trotz hoher Belastungen Glücksmomente im Alltag einbauen?
Indem wir uns dafür ganz bewusst Zeit nehmen. Das hört sich erstmal widersprüchlich an, ist aber ungemein wichtig für unser Wohlbefinden.
Versucht ein Glücksritual in den Tag einzubauen, indem ihr euch zum Beispiel gleich nach dem Aufstehen Zeit nehmt und den ersten Kaffee genießt, euch in Vorfreude auf bestimmte Dinge am Tag übt oder vor dem Schlafengehen drei Kleinigkeiten aufschreibt, für die ihr an diesem Tag dankbar seid.
Ihr könnt auch kleine Pausen über den Tag verteilen – wichtig ist, dass ihr euch darüber bewusst seid und das aktiv für euch einfordert. Setzt euch dabei nie unter Druck, das jeden Tag zu schaffen. Es reicht zu wissen, dass wir die Kontrolle darüber haben, uns einfach für ein paar Minuten aus dem Weltgeschehen zurückzuziehen, Kraft zu tanken und glücklich zu sein.
Was hält uns mit Blick auf eine ungewisse Zukunft optimistisch?
Mir persönlich hilft im Umgang mit einer ungewissen Zukunft die Besinnung auf das Hier und Jetzt und all das, wofür ich dankbar bin. Die Zukunft können wir nie vollständig beeinflussen oder planen. Das Leben ist immer für eine Überraschung gut!
Aber wir können uns das Leben erleichtern, indem wir uns auf den Moment konzentrieren und das wertschätzen, was gut ist und was gelingt. Eine optimistische Haltung gegenüber dem Leben ist dabei sehr nah an der Realität. Denn 85 Prozent unserer Sorgen treten nie in dem Ausmaß ein, in dem wir sie uns ausmalen. Und wenn doch mal etwas passiert, dann sind wir immer handlungsfähiger, als wir erwarten.
Es lohnt sich also, das Glas halb voll anstatt halb leer zu sehen! Die Zukunft wird gut, und wenn nicht, dann machen wir das Beste daraus!
Für mehr Wow-Effekte im Leben: Kann ich lernen, glücklich zu sein?
Glücklich sein zu lernen beginnt für mich mit der Verbundenheit zu sich selbst. Denn um zu wissen, was es für uns selbst bedeutet, glücklich zu sein, müssen wir uns erst selbst kennenlernen und herausfinden, welche Elemente für das persönliche Glück wegweisend sind.
Das heißt: Sich auf den Weg machen, alle Sinne schärfen, gegenüber sich selbst und der Welt wohlwollend sein. Dazu gehört auch eine Portion Neugierde, Offenheit, Tatendrang und ein bisschen Mut und Abenteuerlust, um die Momente des Lebens wahrzunehmen und wertzuschätzen, die es uns lebendig und bunt empfinden lassen.
Und woher weiß ich, was mich glücklich macht?
Die meisten wissen sicher intuitiv, was ihnen guttut. Und wenn wir das, was uns guttut, häufig tun, sind wir auch glücklich dabei. Es kann helfen, in die Stille zu gehen und genau in sich reinzuhören. Durch (Selbst-)Reflexion wird uns bewusst, was uns zufriedener macht.
Ein guter erster Schritt ist, für sich alleine zu sein, und zwar im wahrsten Sinne: ALL ein, mit all unseren Gefühlen, die gerade dazugehören. Und sich dann essenzielle Fragen zu stellen: Wie fühle ich mich gerade? Was treibt mich um? Welche Ziele habe ich, und verfolge ich sie gerade? Stehe ich für meine Werte ein?
Innerhalb des Reflexionsrahmens können wir herausfinden, was ein gutes und glückliches Leben für uns selbst bedeutet. Sich diese Fragen zu stellen und danach zu handeln ist enorm wichtig für unser individuelles Glück und Wohlbefinden. Dadurch können wir erkennen, wer wir sind (und wenn ja, wie viele).
Wie kann ich mir im Alltag kleine Glücks-Reminder setzen, damit ich meine Mission nicht vergesse?
Es gibt viele Möglichkeiten, kleine Erinnerungen zu setzen. Wir können beispielsweise zu Hause Klebezettel mit kleinen Botschaften verteilen: “Heute schon gelacht?”, “Ein guter Tag, um glücklich zu sein”, “Probier‘s mal mit Gemütlichkeit” zum Beispiel.
Natürlich kann man das erweitern mit mutmachenden Worten, kleinen Affirmationen oder Zielsetzungen. Es muss aber nichts Geschriebenes sein. Stellt euch auf euren Schreibtisch, oder wo ihr sonst viel Zeit am Tag verbringt, einen Gegenstand, der euch an eure Mission erinnert. Das kann ein Stein aus dem letzten Urlaub sein, ein Foto aus eurer Jugend, getrocknete Blumen, eine Discokugel an der Decke – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Zudem können wir uns die Technologie zunutze machen: Stellt euren Wecker so, dass er fünfmal am Tag klingelt. Jedes Klingeln ist ein Reminder ans kurze Innehalten, den Pauseknopf drücken, ganz im Moment sein.
Was wir im Team gerade praktizieren: Jeder hat in WhatsApp eine Gruppe mit sich selbst erstellt und sie ganz oben „angepinnt“, so dass sie, wenn man die App öffnet, sofort im Sichtfeld ist und nicht runterrutscht. In diese Gruppe notiert man alles Gute, was man entdeckt, gemacht und gefühlt hat. Eine Art Glückstagebuch, aber sehr komprimiert, digital und alltagstauglich. Darin kann man stöbern, wenn die gute Laune mal wieder eine Auszeit hat. Viel Freude dabei!
Bin ich erfolgreicher, wenn ich glücklicher bin?
Bei dieser Frage sollten wir erst einmal einen Schritt zurückgehen und definieren, was für uns persönlich Erfolg bedeutet. Denn wie die Frage nach dem Glück, so ist auch die des Erfolgs so individuell wie wir selbst.
Deshalb fragt euch einfach mal: Was zählt wirklich? Was ist mir persönlich wichtig? Worauf möchte ich zurückblicken? Was hinterlassen? Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir, wenn wir das tun, was uns glücklich macht, automatisch auch erfolgreich dabei sind. Dafür dürfen wir erkennen, was Glück und Erfolg für uns bedeutet.
Für Ralph Waldo Emerson (US-amerikanischer Schriftsteller, 1803-1882) bedeutete Erfolg: “… oft und viel zu lachen; die Achtung intelligenter Menschen und die Zuneigung von Kindern zu gewinnen; die Anerkennung aufrichtiger Kritiker zu verdienen und den Verrat falscher Freunde zu ertragen; Schönheit zu bewundern, in anderen das Beste zu finden; die Welt ein wenig besser zu verlassen (...); zu wissen, dass wenigstens das Leben eines Menschen leichter war, weil Du gelebt hast – das bedeutet, nicht umsonst gelebt zu haben”. Und für euch?
Wenn ich selbst ein glücklicher Mensch bin, kann ich andere mit meinem positiven Gefühl anstecken?
Davon bin ich absolut überzeugt! Wenn wir im ersten Schritt uns gut um uns selbst kümmern, uns darüber bewusst werden, was uns glücklich macht, und dann auch danach handeln, können wir im zweiten Schritt auch für unser Umfeld da sein, uns kümmern, helfen und aufbauen. Manchmal hat man das Gefühl, das sei ein Kampf gegen Windmühlen, aber ich bin mir sicher: Gute Taten wirken nach. Ein liebes Wort im stressigen Alltag kommt vielleicht nicht unmittelbar an, aber die Person, die es erreicht, trägt es mit sich und nimmt in anderen Situationen vielleicht eine andere Haltung ein.
So gibt es in der Glücksforschung die Erfahrung, dass Menschen, die Geld finden, anschließend viel hilfsbereiter sind. Ich bin mir sicher, dass das auch mit anderen positiven Erlebnissen funktioniert. Ich nenne das den „Dominoeffekt der guten Gefühle“.
4 Tipps von Glücksministerin Gina Schöler
Eine meiner Lieblingsmethoden ist das Dankbarkeitstagebuch: Aufschreiben, wofür man dankbar ist, auch – oder gerade – wenn es mir nicht so gut geht.
Da Verbundenheit mit anderen essenziell für das Wohlbefinden ist, kontaktiere ich gerne meine Lieblingsmenschen in den dunklen Zeiten. Bei ihnen fühle ich mich geborgen und kann sein, wie ich bin.
Zudem ist es – zumindest für mich – ein absoluter Glücksgarant, wenn ich anderen eine Freude mache, sei es durch eine kleine Aufmerksamkeit, ein liebes Wort oder eine helfende Hand.
Ein letzter Tipp ist die Pöbelpause: Auch mir als Glücksministerin gehen manche Sachen auf die Nerven. Statt den ganzen Tag Trübsal zu blasen, stelle ich den Wecker auf 2 Minuten und lasse in dieser Zeit alles Negative, was mich gerade bedrückt, raus. Zetern, schreien, fluchen und Grimassen schneiden – das befreit ungemein und bringt mich letztlich meistens auch wieder zum Lachen.
Gina Schöler ist Glücksministerin, Trainerin, Speaker und Autorin im Bereich Zufriedenheit, Positive Psychologie und Lebensgestaltung. Sie leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ und ruft mit bunten Aktionen und Angeboten dazu auf, das Bruttonationalglück zu steigern.
Das Interview ist aus unserem Archiv (2021).
(Fotos Gina Schöler: Marco Justus Schoeler)