Babyschlaf in den ersten 36 Monaten. Plus Tipps von Fachberaterin Bianca Kaya für eine bindungsorientierte Schlafbegleitung.
Die Nächte mit einem Neugeborenen können eine große Herausforderung sein. Doch auch tagsüber bestimmt der Schlafrhythmus des Babys den Tagesablauf. Für Eltern ist hilfreich, sich mit den Schlafgewohnheiten von Kindern in den ersten Lebensmonaten zu beschäftigen.
Von: Bianca Kaya, Pädagogin und zertifizierte Schlafberaterin
Ein Thema, das viele frischgebackene Eltern beschäftigt, ist der Babyschlaf. Doch die Schlafbedürfnisse von Babys sind so individuell wie ihre Persönlichkeiten. Jedes Baby bringt von Geburt an unterschiedliche Eigenschaften mit sich, die auch den Schlaf beeinflussen können. Einige Babys neigen dazu, leichter einzuschlafen, während andere möglicherweise mehr Begleitung benötigen.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Babyschlaf nach Lebensmonaten nur ein grobes Modell darstellt, da jedes Baby sein eigenes Tempo und seine eigenen Vorlieben hat. Daher ist es entscheidend, die Feinheiten des individuellen Schlafverhaltens zu verstehen und zu respektieren, während gleichzeitig unterstützende Routinen entwickelt werden, um eine gesunde Schlafumgebung zu schaffen.
In den ersten drei Monaten nach der Geburt findet der Schlaf komplett willkürlich statt. Im Mittelpunkt dieser Zeit steht die Erdung. Das Neugeborene erfährt zum allerersten Mal Schwerkraft, nimmt neue Gerüche und Geräusche wahr, spürt Berührungen, nimmt Dunkelheit, Helligkeit, Kälte und Wärme wahr.
In dieser Zeit treten nicht umsonst die sogenannten Koliken auf. Hier ist große Achtsamkeit seitens der Eltern geboten. Abendliches Weinen und Schreien sind nicht unbedingt Anzeichen von Bauchschmerzen, denn wenn dies der Fall wäre, würden diese nicht nur am Abend auftreten. Vielmehr handelt es sich oft um die Verarbeitung der Reize, die der Säugling im Laufe des Tages aufgenommen hat und nun verarbeiten muss.
Wenn Sie die Möglichkeit haben, schaffen Sie einen ruhigen, abgedunkelten Raum. Blenden Sie weitere Reize aus, indem Sie weißes oder rosa Rauschen laufen lassen. Weißes und rosa Rauschen sind Klänge, die ähnlich den Geräuschen, die Babys im Mutterleib hören. Beide Arten von Rauschen können verwendet werden, um Babys beim Einschlafen zu helfen, indem sie eine vertraute und beruhigende akustische Umgebung schaffen. Es gibt Soundmaschinen, die über eine App gesteuert werden können.
Auch das Stillen oder Fläschchen beruhigt das Neugeborene und ermöglicht es ihm, sich bei der Mutter durch das Saugen co-regulieren zu können. Mütter, die stillen, brauchen keine Bedenken vor dem Einschlafstillen haben. Ihr Kind wird damit nicht verwöhnt. Einige Babys mögen es, geschaukelt zu werden. Die Nachahmung sanfter Schaukelbewegungen erinnert den Säugling an den Mutterbauch und beruhigt ihn.
In dieser Zeit wird der Schlaf etwas unruhiger, denn die ersten Zähne kündigen sich an und suchen ihren Weg an die Oberfläche. Plötzlich einschießender Schmerz ist nicht ungewöhnlich.
Erschrecken Sie sich nicht, wenn Ihr Baby aus dem Nichts einen lauten, schrillen Schrei von sich gibt. Auch die Träume werden turbulenter, da sie mit der verstärkten Wahrnehmung einhergehen. Neue Eindrücke werden nun deutlicher und bewusster wahrgenommen und im Nachtschlaf verarbeitet.
Ihr Baby macht in dieser Zeit auch die ersten grobmotorischen Fortschritte. Bis zum 6. Monat schauen vielleicht schon die ersten Zähnchen heraus, und Ihr Baby kann sich bereits selbstständig in die Bauchlage begeben, wodurch die Welt plötzlich ganz anders aussieht. Das Wachstum schreitet rasant voran. Kaum lohnt es sich, die aktuelle Kleidergröße zu kaufen, denn selten kann Ihr Baby diese länger als 4 Wochen tragen.
Möglicherweise beginnen Sie auch mit der Beikosteinführung, wodurch die Verdauung Ihres Kindes von neuen Lebensmitteln angeregt wird, an die sich der Darm erst gewöhnen muss. Diese Veränderungen in der Verdauung können sich auch nachts bemerkbar machen und den Schlaf Ihres Babys beeinflussen.
Achten Sie abends auf leichte Kost, wie zum Beispiel einen Abendbrei aus Schmelzflocken mit Obst- und Mandelmus. Auch das Einführen eines Rituals zur Einschlafbegleitung kann nun etabliert werden.
Gestalten Sie den Schlafbereich gemütlich, vielleicht mit einem sanften Lichtspiel und Hintergrundmusik. Auch das etwas längere Tragen vor dem Hinlegen kann die bevorstehende Schlafenszeit einleiten.
Die motorischen Fähigkeiten des Babys bauen sich weiter aus, und es hält etwa vier Nickerchen am Tag.
Das Drehen auf den Bauch, das Sitzen und das Krabbeln sowie die Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit schreiten voran. Das Baby bemerkt zum ersten Mal, dass die Eltern auch einfach weggehen können, was die Trennungsangst deutlich macht.
Das Einschlafen gestaltet sich schwieriger, denn das Einschlafen bedeutet sich zu trennen; sobald die Augen geschlossen sind, scheint der Elternteil verschwunden zu sein. Möglicherweise wird Ihr Baby sich oft rückversichern wollen, ob es in Sicherheit und nicht allein ist, was zu häufigerem Aufwachen und Weinen (nach Ihnen rufen) führen kann. Das kann anstrengend sein, aber bedenken Sie, dass die Welt für diesen kleinen Menschen unheimlich groß ist und die Dunkelheit für uns evolutionsbedingt automatisch eine Gefahr signalisiert.
Wenn Sie ein Nachtlicht verwenden, achten Sie darauf, dass es rot ist. Wissenschaftler:innen haben herausgefunden, dass rotes Licht keinen Einfluss auf die Melatoninproduktion hat. Das bedeutet, dass bei weißem und gelbem Licht automatisch das Schlafhormon abgebaut wird und das Baby dadurch wacher werden kann, da dieses Licht den Tag simuliert. Wenn es hell wird, signalisiert dies, dass es Zeit ist, aufzustehen.
Ihr Baby schafft es wahrscheinlich inzwischen, etwas länger am Stück zu schlafen, da sich die Schlafzyklen mit zunehmendem Alter verlängern. Möglicherweise kann es sich sogar schon hochziehen und in den aufrechten Stand kommen, und aus dieser Position heraus sieht die Welt wieder ganz anders aus – es gibt so viel Neues zu entdecken. Wie Sie sich vorstellen können, wirkt sich auch dies auf den Schlaf aus. Aber keine Sorge, mit 16 Jahren wird Ihr Kind wahrscheinlich mehr schlafen, als Ihnen lieb ist. Die Trennungsangst ist immer noch präsent, ebenso wie das Zahnen. Die Tagschläfchen verkürzen sich auf zwei bis drei Nickerchen, und Sie werden feststellen, dass Ihr Baby länger wach bleiben kann.
Die zunehmende Mobilität macht sich auch nachts bemerkbar: Selten bleibt ein Säugling an Ort und Stelle liegen. Daher empfiehlt es sich spätestens jetzt, einen Schlafsack einzuführen. So können Sie sicherstellen, dass Ihr Kind immer warm ist und unruhiger Schlaf zumindest nicht auf das Frieren zurückzuführen ist.
Nun beginnt der Übergang vom Säugling zum Kleinkind. Braucht Ihr Kind nachts noch die Brust oder Pre-Nahrung? Seien Sie nicht überrascht, denn das Gehirn Ihres Babys leistet Unvorstellbares. Die Kommunikationsfähigkeit macht einen riesigen Sprung, denn die ersten Wörter werden gelernt. Vielleicht sind es "Mama" und "Papa", aber auch "Nein" könnte darunter sein, je nachdem, was in der Kommunikation mit Ihrem Baby dominanter war.
In dieser Phase lernt Ihr Kind auch das Laufen, und der Energieverbrauch steigt immens an. Wenn tagsüber nicht viel gegessen wird, wird nachts nachgetankt. Machen Sie sich also keine Sorgen, wenn Ihr Kind tagsüber keine Zeit und Lust zum Essen findet – es gibt nämlich so viel Spannenderes zu entdecken als Nudeln und Brokkoli. Es ist empfehlenswert, die Nahrungsbereitstellung in der Nacht bis zum zweiten Lebensjahr aufrechtzuerhalten, um Ihr Kind optimal beim Bewältigen dieser Prozesse zu unterstützen und sein Gehirn mit Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen zu versorgen.
In dieser Zeit tritt die Autonomiephase stark zutage: Das Kind befindet sich zwischen Loslassen und Nicht-Trennen-Wollen. Diese Phase ist gekennzeichnet durch das Streben nach Unabhängigkeit und Selbstständigkeit sowie durch den Ausdruck von Willensstärke und Eigenständigkeit. Doch die Trennungsangst ist immer noch da, genauso wie das Zahnen und der stetig voranschreitende Spracherwerb. Der Schlaf pendelt sich in dieser Zeit fest bei zwei Nickerchen am Tag ein.
Für das abendliche Ritual eignet es sich, ein Buch im Bett anzuschauen. Möglicherweise möchte Ihr Kind jedoch noch einmal richtig aufdrehen. Meist entledigen sich Kinder vor dem Zubettgehen nochmals ihrer überschüssigen Energie, indem sie toben möchten. Auch das ist in Ordnung. Danach können Sie zum Beispiel ein Lied singen oder summen, das die Schlafenszeit einleitet. So wird Ihr Kind verstehen, wie es weitergeht.
Und quasselt Ihr Kind schon im Schlaf? Im Verlauf dieser Zeit schrumpft das Nickerchen auf nur noch eins am Tag. Die motorischen und kognitiven Fertigkeiten schreiten voran, doch das nächtliche Schlafverhalten kann immer noch sehr turbulent sein. Nun sind auch verstärkt Albträume dafür verantwortlich. Ihr Kind muss beruhigt und eventuell wieder in den Schlaf begleitet werden. Die Brust oder eine Flasche Milch geben ihm immer noch ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, erleichtern das Wiedereinschlafen, und es ist vollkommen in Ordnung, wenn es das benötigt. Manche Kinder können in diesem Alter schon durchschlafen. Die Definition von "durchschlafen" ist, dass es mindestens fünf Stunden am Stück schläft, ohne aufzuwachen.
Ihr Kind wird höchstwahrscheinlich bestimmte Rituale festgelegt haben, die es braucht, um gut einschlafen zu können. Möglicherweise darf nur ein bestimmter Elternteil die Einschlafbegleitung übernehmen, und ein wichtiges Kuscheltier darf auch nicht fehlen. Wenn möglich, versuchen Sie, Ihrem Kind diesen Wunsch zu erfüllen. Vergessen Sie nicht, dass es sich nur um eine Phase handelt, und das Thema Sicherheit im Schlaf muss weiterhin gefestigt werden.
Die Nickerchen haben sich auf 0 bis 1 mal am Tag eingependelt. Sie werden wahrscheinlich immer wieder feststellen, dass Ihr Kind zeitweise unheimlich viel isst oder nachts trinkt und dann wieder weniger bis fast überhaupt nicht. Oft verlangt der Körper nach mehr Nährstoffen, wenn sich eine Erkrankung ankündigt. Der Körper ist schlau und versorgt sich vorher schon mit mehr Nährstoffen, um in dieser Zeit weniger Verluste zu verzeichnen – denn wie wir wissen, geht die Nahrungsaufnahme eines Kindes zurück, wenn es krank ist. Kurz vor einer Erkrankung schläft Ihr Kind dann auch meist sehr viel mehr und länger am Stück in der Nacht. Auch dies ist ein schlauer Mechanismus, um Energie zu tanken und zu speichern.
Die Trennungsangst ist auch in diesem Lebensjahr noch vorhanden, meist aber viel schwächer ausgeprägt. Bis zum 36. Lebensmonat hat Ihr Kind idealerweise die Schlafzyklen eines Erwachsenen. Das bedeutet, dass es nun wirklich mehr als 5 Stunden am Stück schläft. Aber wenn das nicht der Fall ist, ist das auch in Ordnung. Achten Sie einmal darauf, wie oft Sie in der Nacht aufwachen oder auch mal wach liegen. Sie werden merken, dass es häufiger ist, als Ihnen bewusst ist. Der Unterschied ist, dass Sie niemanden damit stören, Ihr Kind jedoch schon.
Die hier genannten Schlafgewohnheiten nach Lebensmonaten sind Hinweise und Richtwerte, können sich jedoch bei Ihrem Kind ganz anders verteilen, stärker oder schwächer ausgeprägt oder sogar gar nicht vorhanden sein. Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind aufgrund einer ungeklärten Erkrankung Schlafprobleme hat, sollten Sie niemals auf eine ärztliche Untersuchung verzichten. Auch ein:e Osteopath:in oder Physiotherapeut:in kann Ihr Kind auf Blockaden oder Fehlstellungen hin untersuchen und für ein ausgeglichenes Körpergefühl sorgen, was sich positiv auf das Schlafen auswirken kann.
Mit Hilfe von Müdigkeitssignalen kann Ihr Baby Ihnen mitteilen, dass es Ruhe und Schlaf benötigt. Diese Zeichen können von Kind zu Kind variieren. Wenn es Ihnen gelingt, die Hinweise Ihres Babys zu erkennen, können Sie rechtzeitig reagieren und ihm die notwendige Unterstützung bieten, um sich auszuruhen und zu erholen.
Müdigkeitssignale können sein:
Wenn Sie eines oder mehrere dieser Signale bemerken, ist es Zeit, Ihr Baby für ein Nickerchen oder den Schlaf vorzubereiten. Achten Sie auf diese Zeichen, um Ihrem Baby dabei zu helfen, ausreichend Ruhe und Schlaf zu bekommen, was für seine Entwicklung und sein Wohlbefinden entscheidend ist.
Beim Schlaftraining geht es darum, dem Baby beizubringen, selbständig einzuschlafen und durchzuschlafen, ohne dabei ständig auf die Hilfe der Eltern angewiesen zu sein. Dabei kommen Methoden wie "kontrolliertes Weinen lassen" oder "sich schrittweise distanzieren" zum Einsatz.
Bei der Schlafbegleitung liegt der Fokus darauf, bindungs- und bedürfnisorientiert zu agieren. Das bedeutet, dass Maßnahmen ergriffen werden, welche die Eltern-Kind-Bindung nicht beeinträchtigen und das Kind nicht von seinen Bezugspersonen distanzieren.
Eine Empfehlung für das Schlaftraining kann von pme Elternberaterin Bianca Kaya nicht ausgesprochen werden. Zwar hilft es eventuell, die Nächte ruhiger zu gestalten, aber dafür zahlt man einen hohen Preis. Eltern dürfen nicht vergessen, dass die Bindungsperson die absolute Sicherheitsstufe für den Säugling darstellt, und sich in Sicherheit zu wissen, ist essenziell für einen gesunden und erholsamen Schlaf, in welchem weitere Entwicklungsprozesse, vor allem im Gehirn, fortlaufend stattfinden.
Ein Schlaftraining verursacht Stress beim Säugling, das Stresshormon Cortisol wird ausgeschüttet, und der Säugling befindet sich in einem permanenten Zustand der Überforderung. Ohne die Möglichkeit, sich bei seiner Bezugsperson co-regulieren zu können, wird es irgendwann in die Resignation wechseln, was im Schlaftraining nun nach einem vermeintlichen Erfolg aussieht, ist in Wahrheit der Zustand der Akzeptanz, die sich aus der schmerzlichen Erfahrung des Auf-sich-allein-Gestellt-Seins ergeben hat.
Eine bindungs- und bedürfnisorientierte Schlafbegleitung dagegen zielt darauf ab, die Bindung zueinander zu stärken. Dabei wird die Schlafbegleitung von Nähe und Geborgenheit geprägt, in welcher der Säugling mit Gesang und sanften Bewegungen in den Schlaf gewogen wird. Wenn er aufwacht, wird jemand da sein, bevor er schreien muss, um ihn wieder in den Schlaf zu wiegen.
Ein gesunder Babyschlaf ist entscheidend für die Entwicklung und das Wohlbefinden Ihres Kindes. Hier sind einige Tipps, um eine gute Schlafumgebung zu schaffen und Ihrem Baby zu helfen, ausreichend Ruhe zu bekommen:
Es gibt ausgebildete Schlafberater:innen, die bundesweit tätig sind. Jedoch ist zu beachten, dass jede:r von ihnen eine unterschiedliche Ausbildung mit verschiedenen Schwerpunkten absolviert hat. Nicht alle Ausbildungen sind gleich; während einige das Schlaftraining befürworten, lehnen es andere ab. Jede professionelle und vertrauenswürdige Schlafberater:in bietet außerdem ein kostenloses Erstgespräch an, damit sowohl sie als auch die Eltern herausfinden können, ob eine sinnvolle Zusammenarbeit möglich ist und ob man eine gemeinsame Sprache im Wohlergehen der Eltern und des Kindes spricht.
Vor einer Schlafberatung ist es äußerst wichtig sicherzustellen, dass keine physiologischen Erkrankungen vorliegen. Daher ist es ratsam, bereits kurz nach der Entbindung eine:n Osteopath:in oder Physiotherapeut:in aufzusuchen. Diese Fachleute überprüfen den gesamten Bewegungsapparat und insbesondere die Halswirbelsäule, die durch die Geburt aus der Ausrichtung geraten kann. Kinderärzt:innen können abklären, ob Infektionen vorliegen könnten, die die Atemwege, Harnwege oder die Ohren betreffen. Sollte Ihr Kind tagsüber ununterbrochen schreien und nachts kaum in den Schlaf finden, suchen Sie bitte ärztlichen Rat auf.