Wie kommuniziert man mit Demenzkranken? Validation, Basale Stimulation und Biografiearbeit helfen, in Kontakt zu bleiben.
Bei Menschen mit Demenz lässt bereits in einem frühen Stadium die Sprachfähigkeit nach. Sind es im Anfangsstadium nur Wortfindungsschwierigkeiten, so ist meist im Endstadium der Demenz keine verbale Kommunikation mehr möglich. Dabei ist Kommunikation – verbal wie nonverbal – wichtig, denn die Art der Kommunikation kann über Sympathie oder Antipathie entscheiden.
Ein Beitrag von Jürgen Griesbeck, Homecare-Eldercare-Experte beim pme Familienservice.
Wieviel ein Mensch mit Demenz von seiner Umgebung, den Gesprächen und der Situation mitbekommt, kann niemand wissen. Vermutlich aber sehr viel mehr, als man glaubt. Reden Sie deshalb nicht so, als würde der demente Mensch nicht verstehen, wovon gesprochen wird oder als wäre er nicht im Raum, sondern beziehen sie ihn respektvoll ein.
Bis zu einem gewissen Grad der Demenz merkt die erkrankte Person noch, dass sie Defizite hat. Das ist für sie selbst ein äußerst unbefriedigender Zustand. Vermeiden Sie es deshalb, sie mit ihren Defiziten zu konfrontieren.
Vorhaltungen darüber, dass die oder der Erkrankte alles vergisst und falsch macht, etwa die Butter in den Schuhschrank oder das Gebiss in die Kühltruhe gelegt hat, bringen nichts mehr. Im Gegenteil erzeugen sie eine Stresssituation und machen die demente Person aggressiv. Meist weiß sie nicht mehr, dass sie das getan hat. Am besten sprechen sie nicht darüber.
Vermeiden Sie Sätze wie:
Loben Sie die Person stattdessen für das, was sie noch kann oder gut gemacht hat, zum Beispiel „Du hast die Servietten aber schön gefaltet. Das gefällt mir“. Das gibt der dementen Person die Bestätigung, noch gebraucht zu werden.
Demente Menschen haben Wortfindungsschwierigkeiten und Konzentrationsprobleme. Manchmal dauert es, bis sie das richtige Wort gefunden haben. Hören Sie geduldig zu, reden Sie nicht dazwischen und drängen Sie nicht.
Bei Menschen mit Demenz ist nicht immer eine verbale Kommunikation möglich. Loten Sie stets aus, über welche Kommunikationform der demente Mensch im Moment erreichbar ist und achten Sie auf die Signale der nonverbalen Kommunikation: In welcher Lautstärke und mit welchem Sprachduktus wird gesprochen, mit welcher Mimik, welcher Gestik, gibt es Blickkontakt?
Bei Menschen mit Demenz haben sich drei Kommunikationsmethoden bewährt:
Bei der Validation geht es zum einen darum, dem Menschen mit Demenz nicht zu widersprechen und zum anderen darum, seine Äußerungen auf der Gefühlsebene und nicht auf der Verstandesebene zu deuten. Naomi Feil, die Begründerin der Validation führt das zuerst unverständliche Verhalten desorientierter Menschen auf unerfüllte Grundbedürfnisse zurück, zum Beispiel:
Beispiel für Validation: „Ich will nach Hause zu meiner Mutter“
Auf der Verstandesebene könnten Sie darauf antworten: „Deine Mutter ist doch längst gestorben“. Auf der Gefühlsebene steht die Aussage der erkrankten Person für das Bedürfnis nach Geborgenheit. Eine zielführendere Antwort wäre: „Ja, zu Hause ist es am schönsten. Was würdest du jetzt gerne mit deiner Mutter machen?“.
Beispiel für Validation: „Du hast meinen Geldbeutel gestohlen“
Diese Anklage könnte auf der Verstandesebene dazu führen, dass Sie sich verteidigen oder sogar verärgert sind. Auf der Gefühlsebene steht sie dafür, dass sich der erkrankte Mensch entwertet fühlt. Besser ist es, z.B. zu sagen: „Ja, Geld ist wichtig. Wo hast du deinen Geldbeutel zuletzt gesehen? Wie sieht er aus?“.
Widersprechen Sie nicht, sondern suchen Sie das Bedürfnis hinter der Aussage, gehen Sie konstruktiv darauf ein bzw. lenken Sie ab.
Die Erinnerungspflege ist für demenzkranke Menschen von größter Bedeutung. Bilder, Geschichten, Gegenstände, Briefe und andere Dinge wecken Erinnerungen. Mit den richtigen „Ankern“ aus der Biografiearbeit können Sie Menschen mit Demenz helfen, ihre Identität und ihr Selbstbild länger zu bewahren, sie besser in ein soziales Gefüge einzubinden und ihre kommunikativen Fähigkeiten zu erhalten. Oft blühen diese dabei regelrecht auf und es gelingt ein guter Austausch. Wichtig dabei ist, schmerzliche Lebensthemen zu kennen und zu vermeiden.
Viele Dinge können Anlass für ein Gespräch oder für positive Erinnerungsmomente sein:
Sie können einzelne Gegenstände verwenden oder einen „Erinnerungskoffer“ zusammenstellen. Außerdem können Sie den Raum mit Erinnerungsstücken dekorieren, sodass die demenzkranke Person unabhängig von Ihnen darauf Zugriff hat.
Basale Stimulation ist eine ganzheitliche, körperbezogene Kommunikation, um schwer beeinträchtigte Menschen (auch Demenzkranke in der letzten Phase) zu unterstützen und ihre Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Bewegungsfähigkeiten zu fördern.
Ziel ist es, den Erkrankten dazu zu bringen, den eigenen Körper wahrzunehmen, denn dies ist wichtige Voraussetzung, um einen Zugang zu Mitmenschen und der Umwelt aufzubauen. Es geht also vornehmlich darum, die verschiedenen Sinnesbereich zu aktivieren, denn damit kann die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend erhöht werden.
In der Basalen Stimulation wird mit sehr einfachen Mitteln gearbeitet. Emphatisch und zur richtigen Zeit angewandt, können sie erstaunliche Effekte verursachen, und vor allem zu mehr Lebensfreude führen. Grundvoraussetzung ist eine vertrauensvolle Beziehung ohne Stress. Es gibt verschiedene Methoden der basalen Stimulation, die Sie kombinieren können:
Basale Stimulation durch optische Reize
Diese Form kann sehr schnell im täglichen Miteinander umgesetzt werden. Ein gemeinsamer Spaziergang, bei dem auf viele „Kleinigkeiten“ geachtet wird, wirkt anregend. Wechselnde Fotos an der Wand sorgen immer wieder für Interesse und Gesprächsbedarf.
Basale Stimulation durch akustische Reize
Geschichten erzählen oder beschreiben, was gerade passiert, sind einfache Methoden, die den Betroffenen zum Zuhören „zwingen“. Musik weckt Erinnerungen und kann zu schönen Gesprächen führen. Sie können auch einfach über das Essen oder das Wetter sprechen. Die Inhalte oder der Wahrheitsgehalt (meine Mutter hat jeden Tag das gleiche Essen beschrieben!) sind nicht so wichtig - Hauptsache, Sie kommunizieren!
Basale Stimulation durch Schmecken und Riechen
Wer kennt das nicht: Sie nehmen einen besonderen Geruch wahr, und schon haben Sie Erinnerungen im Kopf, die lange verschüttet waren. So funktioniert basale Stimulation durch Riechen und Schmecken. Sie können das Bewusstsein der erkrankten Person gezielt auf besondere Gerüche lenken, z.B. mit einer Duftkerze, Gewürzen oder gut riechenden Cremes. Vielleicht kennen Sie Düfte, welche die Person immer gern mochte? Da der Geschmacks-und der Geruchssinn eng verwandt sind, eigenen sich auch besondere Geschmacksnoten, um die Erinnerung anzuregen.
Basale Stimulation durch vibratorische Reize
Vibratorische Reize fördern die Oberflächen- oder Tiefensensibilität. Mit Geräten, wie einem elektrischen Rasierer, einer elektrischen Zahnbürste oder dem Vibrationsalarm am Handy können Sie für Überraschung und Wohlgefühl sorgen! Eine einfache „Trainingsmethode“ ist es, die Liegeeinstellung des Betts zu verändern. Auch das bewusste Sitzen in einem Schaukelstuhl oder das Gefühl von Beschleunigung, etwa beim Schieben des Rollstuhls geben der erkrankten Person ein Gefühl für den eigenen Körper.
Basale Stimulation durch Berühren und Fühlen
Dieser Sinnesbereich hilft ganz besonders beim inneren Nachfühlen und Erleben des Körpers. Die Übungen hierzu sind etwas aufwändiger, aber mit Alltagsmitteln gut zu bewerkstelligen. Dazu gehören unter anderem: Massagen, Bällebäder, sanftes Abreiben mit einem Waschlappen oder Bäder.