Es immer allen recht machen, höflich sein, jede Aufgabe annehmen: wie People Pleaser lernen, Nein zu sagen.
Es immer allen recht machen, höflich sein und dabei seine eigenen Bedürfnisse übergehen: People Pleaser nehmen jede Aufgabe an und laufen schnell Gefahr, gestresst zu sein. Im schlimmsten Fall endet es in einem Burnout. Wie People Pleaser lernen können, Nein zu sagen.
(Hinweis: Der Artikel wurde geprüft und unter Mitarbeit geschrieben von Mandy Simon, Psychologin und systemische Coachin.)
„Ja klar, kann ich gerne machen!“. Kennen Sie Kolleg:innen, die versuchen, es immer allen recht zu machen? Die ihren Vorgesetzten alle Wünsche erfüllen, auch wenn sie den Tisch voll mit Aufgaben haben? Die jedes Weihnachts- und Sommerfest mitorganisieren? Dann haben Sie es hier wahrscheinlich mit einem People Pleaser zu tun.
Als erstes „Hier!“ rufen, immer helfen wollen und zuvorkommend sein: Dieses Verhaltensmuster nennt sich „People Pleasing“ – zu deutsch „Menschen gefallen“. Dieser Typ von Mitarbeiter:in sagt selten "Nein" und ist stets bemüht, Konflikte zu vermeiden. Sie wollen andere nicht verärgern oder enttäuschen. Deshalb nehmen sie jede Bitte nach Hilfe an und gehen Konflikten aus dem Weg, um die Harmonie zu bewahren und Anerkennung zu erfahren.
"People Pleasing“ heißt zu deutsch „Menschen gefallen.“ Es ist keine medizinische Diagnose, sondern vielmehr eine umgangssprachliche Bezeichnung für Menschen, die Dinge tun, um anderen zu gefallen. Es handelt sich um eine Verhaltensweise, die erlernt wurde.
Ein bisschen People Pleaser steckt fast in jedem von uns. Uns das ist auch gut so. Denn nur so kann Gemeinschaft gelingen, indem wir emphatisch sind und Rücksicht aufeinander nehmen. Aber ignorieren Menschen beim People Pleasing dauerhaft ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen, kann das Pleasing sehr schnell ungesund werden.
Erkennen Sie sich in der Beschreibung womöglich wieder? Aber Sie sind noch nicht sicher, ob die Eigenschaften eines People Pleaser auch auf Sie zutreffen?
Weitere Anzeichen von People Pleasing sind:
Ein People Pleaser zu sein ist an sich nichts Schlechtes. Denn diese Menschen sind empathisch, freundlich und hilfsbereit – also sehr soziale Menschen, die auch im Job viele Vorteile für Teams haben.
Vorteile von People Pleasern im Job sind:
Obwohl die Absichten eines People Pleasers gut sind, kann dieses Verhalten zu Stress und Mental Load führen. Denn wer den Schreibtisch voll mit Aufgaben hat, sollte nicht noch mehr To-dos annehmen, auch wenn Nein sagen schwerfällt. Wer oft und viele Überstunden macht, ist eben auch schneller gestresst.
Manchmal lassen sich People Pleaser auch ausnutzen, weil es ihnen schwerfällt, Nein zu sagen. Und das ständige Gefühl, ausgenutzt zu werden, kann psychisch sehr belasten. Es ist wichtig, dass People Pleaser lernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und diese als genauso wichtig anzusehen wie die der anderen. Denn erst dann können sie bewusst entscheiden, ob sie es dem anderen nun recht machen wollen – oder zunächst einmal sich selbst.
People Pleaser sind für die Teamarbeit unverzichtbar, da sie immer bereit sind, zu helfen, und so oft Konflikte vermeiden. Sie sind meist die stillen Heldinnen und Helden, die die Stimmung aufhellen und für Harmonie sorgen. Dennoch sollten sie lernen, sich zu schützen und Grenzen zu setzen, wenn die eigene Balance darunter zu leiden anfängt.
Lernen Sie, Grenzen zu setzen. Es ist wichtig, dass Sie verstehen, dass Sie nicht alles tun können und dass es in Ordnung ist, um Hilfe zu bitten oder Aufgaben abzulehnen, die Sie überfordern.
Überlegen Sie und schreiben Sie auf, was Sie brauchen, um gut arbeiten zu können, z. B. wenige Unterbrechungen, wiederkehrende Routinen – oder eben gerade das nicht. Wann ist es mir zu viel? Was stört mich besonders an meiner jetzigen Arbeitssituation? Was gefällt mir gut? Wo läuft die Zusammenarbeit mit anderen im Team gut und wo weniger? All diese Dinge sind wichtig, um die eigenen Grenzen zu spüren und festzulegen.
Es ist schwer, Nein zu sagen, besonders wenn Sie es gewohnt sind, immer Ja zu sagen. Aber es ist ein notwendiger Schritt, um sich von der People-Pleaser-Rolle zu befreien. Üben Sie, Nein zu sagen, in einer freundlichen, aber bestimmten Art und Weise.
Dabei geht es nicht darum, Nein zu sagen, nur um des Nein-Sagens willen. Es geht hier vielmehr um eine Selbstbehauptung in Bezug auf die eigene Zeiteinteilung. „Ich kann jetzt nicht, weil ich Projekt X hier noch fertig machen möchte. Aber wir können gerne zu einem anderen Zeitpunkt dazu sprechen". Damit sind wir gleich beim nächsten Tipp.
Stellen Sie sicher, dass Ihre eigenen Bedürfnisse nicht immer an letzter Stelle stehen. Es ist wichtig, sich selbst zu pflegen und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Schreiben Sie Ihre wichtigsten und aktuellen Bedürfnisse auf, z. B. „Aktuell brauche ich mehr Zeit für mich, und deshalb ist es wichtig, dass ich keine Überstunden mache".
Achten Sie auf Ihre körperliche und geistige Gesundheit. Nehmen Sie sich Zeit für Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten und helfen, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Zwischendurch, wenn die Hektik des Arbeitsalltags uns einnimmt, vergessen wir oft, was wir selbst brauchen.
Um dieses Muster zu unterbrechen, gibt es eine effektive kleine Übung: Stellen Sie sich den Handy-Alarm auf drei willkürliche Zeiten täglich ein: zum Beispiel auf 11:39 Uhr, 16:25 Uhr und 19:45 Uhr.
Sobald der Alarm klingelt, unterbrechen Sie, was Sie gerade getan haben, lassen Sie die Schultern sinken und spüren Sie in Ihren Körper hinein: Wie geht es mir gerade? Was brauche ich? Solche Check-ins helfen, Bedürfnisse und Wünsche wieder klarer zu spüren.
Wer gerade 15 verschiedene Aufgaben auf dem Schreibtisch hat, darf gerne Kolleg:innen um Hilfe bitten. Sie müssen nicht alles alleine machen. Suchen Sie sich Verbündetete im Team, mit denen Sie sich regelmäßig austauschen und die Sie unterstützen können, wenn das Tagesgeschäft mal wieder besonders brummt.
Versuchen Sie, zu verstehen, warum Sie die Tendenz zum People Pleaser haben. Beobachten Sie im Alltag ganz bewusst, in welchen Situationen sie zum People Pleasing neigen. Das ist nämlich recht unterschiedlich. Manchen fällt es schwer, im engen Familien- und Freundeskreis für sich einzustehen. Andere können das sehr gut – aber sie wollen im Beruf oder gegenüber Fremden bloß nicht anecken. Wenn Sie diese Situationen erkennen, können Sie daran arbeiten, diese Gewohnheit zu verändern.
Es braucht Zeit, alte Gewohnheiten zu ändern. Seien Sie nicht zu hart zu sich selbst, wenn Sie Fehler machen. Lernen Sie aus Ihren Fehlern und versuchen Sie es erneut.
Indem Sie diese Schritte befolgen, können Sie beginnen, sich von der Rolle des People Pleasers zu befreien und eine gesündere und ausgeglichenere Arbeitsumgebung für sich selbst zu schaffen.
Es kann auch hilfreich sein, Unterstützung aus dem persönlichen oder beruflichen Umfeld zu suchen. Das könnte bedeuten, sich mit Freunden oder Kollegen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wie zum Beispiel ein Coaching oder eine Therapeut:in.
Es gibt mehrere Gründe, warum Menschen zu People Pleasern werden und versuchen, es allen oder vielen recht zu machen. Ein häufiger Grund ist das Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung, besonders wenn es in der Kindheit vernachlässigt wurde.
Es ist wichtig, diese Muster zu erkennen, damit People Pleaser lernen können, sie zu ändern. Zum einen für sich selbst, damit sie nicht gegen ihre eigenen Bedürfnisse arbeiten. Zum anderen, um gesündere Beziehungen zu ihren Mitmenschen zu führen.
Ein wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung von Menschenfreundlichkeit sind frühe Erfahrungen und die Erziehung im Elternhaus. Studien wie die von Baldwin und Hoffmann (2002) legen nahe, dass Kinder, die in einem Umfeld aufwachsen, in dem sie für die Erfüllung der Bedürfnisse ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden, eher dazu neigen, später im Leben People Pleaser zu werden. Diese Kinder lernen, dass ihr Selbstwertgefühl davon abhängt, anderen zu gefallen, was zu einem Muster des Überopferns führen kann.
Eine weitere wichtige psychologische Ursache für die übertriebene Menschenfreundlichkeit ist die Angst vor Ablehnung und Konflikten. Forschungsergebnisse wie die von Alden und Bieling (1998) zeigen, dass Menschen, die dazu neigen, anderen gefallen zu wollen, oft große Angst davor haben, abgelehnt oder kritisiert zu werden. Daher versuchen sie, andere nicht zu verärgern und zu enttäuschen, und passen sich an, um Zustimmung und Anerkennung zu erhalten.
Ein niedriges Selbstwertgefühl kann ebenfalls dazu führen, dass Menschen zu People Pleasern werden. Studien wie die von Leary und Baumeister (2000) kamen zu dem Ergebnis, dass Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl dazu neigen, ihre Selbstachtung von der Zustimmung anderer abhängig zu machen. Sie versuchen, durch Gefälligkeiten und Anpassung positive Rückmeldungen zu erhalten, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern.
Die Gesellschaft und kulturelle Normen spielen ebenfalls eine Rolle bei der Entwicklung von Menschenfreundlichkeit. Untersuchungen von Cross und Madson (1997) zeigen, dass in bestimmten Kulturen und sozialen Gruppen das Bedürfnis, Harmonie aufrechtzuerhalten und die Erwartungen anderer zu erfüllen, besonders stark ausgeprägt sein kann. Diese sozialen Normen können dazu führen, dass Menschen ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, um sich anzupassen und akzeptiert zu werden.
Neben den oben genannten Faktoren können auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale dazu beitragen, dass Menschen zu People Pleasern werden. Eine Studien von Costa und McCrae (1992) konnte zeigen, dass Menschen mit hohen Werten in den Persönlichkeitsdimensionen Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit eher dazu neigen, anderen zu gefallen und Konflikte zu vermeiden.
Den einen Grund gibt es also nicht, warum manche Menschen es ihrem Umfeld immer recht machen wollen. Dennoch kann es helfen, die verschiedenen psychologischen Ursachen zu kennen, denn erst dann kann das eigene Verhalten oft besser verstanden werden, und Veränderungen können angestoßen werden.
Quellen:
Bossmann, Dr. U.(2023) People Pleasing-Raus aus der Harmoniefalle, Beltz-Verlag
Randal, C., Pratt, D., & Bucci, S. (2015). Mindfulness and self-esteem: a systematic review. Mindfulness, 6, 1366-1378.
Baldwin, M. W., & Hoffmann, J. P. (2002). The dynamics of self-esteem: A growth-curve analysis. Journal of Personality and Social Psychology, 83(3), 586–598.
Alden, L. E., & Bieling, P. (1998). Interpersonal consequences of the pursuit of safety. Behavior Research and Therapy, 36(1), 53–64.
Leary, M. R., & Baumeister, R. F. (2000). The nature and function of self-esteem: Sociometer theory. Advances in Experimental Social Psychology, 32, 1–62.
Cross, S. E., & Madson, L. (1997). Models of the self: Self-construals and gender. Psychological Bulletin, 122(1), 5–37.
Costa, P. T., & McCrae, R. R. (1992). Normal personality assessment in clinical practice: The NEO Personality Inventory. Psychological Assessment, 4(1), 5–13.