Interview: So gelingt Führung in Krisenzeiten

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Asset-Herausgeber

15.06.2020
Christin Müller
6283

Krisen in Unternehmen setzen alle bekannten Strukturen außer Kraft – so wie aktuell die Corona-Pandemie. Extreme Situationen erfordern darüber hinaus ein schnelles Umdenken und Handeln von allen Beteiligten. Insbesondere Führungskräfte sind in Ausnahmesituationen gefragt.

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pme-Regionalleiterin und Führungskräftecoach Carla Hees erzählt, wie sie die Anfänge der Corona-Krise mit ihren Teams an drei Standorten erlebt hat und welche kurzfristigen Maßnahmen das Unternehmen ergriffen hat, um die Krise zu meistern.

 

Die Corona-Krise hat in den vergangenen Monaten viel von allen Arbeitnehmern abverlangt, aber auch von Führungskräften, die auf einmal vor der Herausforderung standen, ihre Teams durch eine unbekannte Situation zu leiten. Wie intensiv hast du diese Zeit erlebt?

Die ersten zwei bis drei Wochen waren mehr als intensiv. Nicht nur im Arbeitsaufkommen, auch durch die Ungewissheit. Es wusste ja niemand, was passieren würde, wenn alle Kinderbetreuungseinrichtungen plötzlich schließen müssen, und wie sich erste Kontaktverbote auswirken. Auch unsere Kunden hatten diese Fragen und den Wunsch, dass wir als Dienstleister einen Plan B bereithalten, wie wir das bisher immer getan haben. Aber in vielem waren uns die Hände gebunden. Und natürlich konnten wir nicht, nur weil wir pme Familienservice sind, unsere Notbetreuungseinrichtungen für alle offen halten, die nicht zu systemrelevanten Berufen gehören. In den ersten Tagen hatten wir Tausende von Anrufen von verunsicherten Kunden.

 

Welche Herausforderungen waren es genau, mit denen du dich plötzlich konfrontiert sahst?

Die Fülle an ständig Neuem und natürlich nichts Verlässlichem. Es gab ja täglich, manchmal stündlich, neue Informationen: In welchem Bundesland gelten ab wann welche Einschränkungen? Und was bedeutet das für unser Unternehmen, unsere Teams und auch für jeden persönlich?

 

Wie schaffst du es, Ruhe zu bewahren und deinen Teammitgliedern Sicherheit zu vermitteln?

Indem ich authentisch bleibe und ehrlich vermittle, dass es gerade keine Sicherheit gibt – für niemanden. Das galt bzw. gilt ja weltweit. Und dass wir Führungskräfte nichtsdestotrotz alles dafür tun werden, dass es irgendwie weitergeht. Ich habe alle meine Teammitglieder um Solidarität gebeten und dafür gesorgt, dass wir regelmäßig in Austausch miteinander gehen. Unsere CEO hat ad hoc zweimal pro Woche für alle Leitungskräfte verpflichtend und alle Teammitglieder als Angebot einen Krisenaustausch installiert. Zu Beginn waren da bis zu 150 Teilnehmende und die ersten Wochen auch mal bis zu dreieinhalb Stunden Raum für konkrete Fragen, Haltung, Umsetzung von Maßnahmen, aber eben auch Sorgen, Bedenken und Bedürfnisse. Dieser Austausch hat eine enorme Sicherheit vermittelt.

 

Auf welche Führungskräfte-Skills kommt es konkret an, um eine Krisensituation wie diese zu meistern?

So klischeehaft sich das anhören mag: Ich glaube, dass es für mich als Führungskraft enorm hilfreich ist, dass ich bei mir bleibe und das Gefühl habe, dass wir alle miteinander im selben Boot sitzen, was ich auch vermitteln kann. Ich „funktionierte“ in Krisen schon immer recht zuverlässig. Das ist sicher auch eine dankbare Wesenseigenschaft.

 

Welche Strategie habt ihr beim pme Familienservice verfolgt, um die Krise bis jetzt bestmöglich zu meistern?

Wir sind schon immer technisch bestmöglich aufgestellt gewesen. Somit war der Umstieg von bis zu 50 % Mobile Office (in meiner Region als Option vor Corona) auf bis zu 100 % von heute auf morgen ein schneller erster Schritt. Wir hatten keine Minute Zeitverlust für die konkrete Umsetzung.

Außerdem haben wir uns unternehmensweit erlaubt, scheinbar Unmögliches zu denken und superschnell und kreativ umzusetzen. Neben allen Veranstaltungen und Kundenkontakten auf online vor allem mit allen Abteilungen zusammen die anstehenden Ferienprogramme für Kinder auf online zu planen und umzusetzen in nur eineinhalb Wochen, war DIE HERAUSFORDERUNG schlechthin. Und unsere Kunden haben das dankbar angenommen und wertgeschätzt.
Aber auch in unseren Kitas gab es sofort Initiativen, um den Kontakt zu den Kindern und Eltern online zu halten, auch ohne dass sie täglich kommen dürfen.
Wir konnten wieder diese Start-up-Power aktivieren, die uns einst hat beginnen lassen, unser Unternehmen zu gründen und permanent die Dienstleistungen weiterzuentwickeln. Das hat auch junge neue Teammitglieder enorm motiviert und begeistert.
Der unternehmensweite Austausch mit unserer CEO Alexa Ahmad zweimal pro Woche über alle Unternehmensteile hinweg war ebenso eine großartige Strategie!

 

Du bist selber ja auch Führungskräfte-Coach. Gibt es viele Nachfragen von hilfesuchenden Führungskräften? Und welche Fragen werden gestellt?

Die Nachfragen von Führungskräften sind bisher nicht gestiegen. Ich vermute aber, dass das noch kommen wird. Die Qualität der Fragen und Coachings decken aber das gesamte „Krisenspektrum“ ab.

 

Kurzarbeit, Arbeitsplatzverlust, Doppelbelastung mit Kinderbetreuung und Home Office: Beschäftigten in ganz Deutschland wurde in den letzten Monaten viel abverlangt. Wie hast du die persönlichen „Krisen“ deiner Teammitglieder erlebt und ggf. aufgefangen?

Auch mein Team ist von Kurzarbeit nicht verschont geblieben. Ich finde jedoch, dass das kurzfristig beschlossene Kurzarbeit-Paket unserer Regierung ebenfalls schnelles Handeln diesbezüglich erlaubt hat. Wir haben in den Bereichen, in denen es nur noch wenige Kundenanfragen gibt, mit den Teammitgliedern und der Mitarbeiterinteressenvertretung gemeinsam gute Lösungen gefunden.  Manche haben die Kurzarbeit-Option sogar als hilfreich empfunden, z. B. Teammitglieder ohne Möglichkeit zum störungsfreien Arbeiten zu Hause. Andere haben ihre Fachbereiche verlassen und Unterstützung in Bereichen angeboten, wo es noch Bedarf gab. Dass wir unternehmensweit einen Aufstockungsbetrag auf mindestens 80 bis 100 Prozent zum Gehalt zahlen, verhindert finanzielle Schräglagen.


Was hast du bis jetzt persönlich aus der Krise gelernt?

Für mich als Führungskraft: dass es möglich ist zu führen, ohne zu planen und Aussagen zu treffen, die morgen ggf. nicht mehr verbindlich sind. Und wie wichtig Authentizität und Vertrauen für bedürfnisorientiertes Handeln sind. Und für mich persönlich: dass soziale Kontakte und kulturelles und gesellschaftliches Leben etwas unendlich Wertvolles sind! Und Zeit für sich zur Reflexion zu haben.

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