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Best Practice: Pflegekräfte aus dem Ausland im Albertinen Krankenhaus

Im Albertinen Krankenhaus in Hamburg arbeiten Pflegekräfte aus verschiedenen Ländern wie Portugal und Mexiko, Irak oder Syrien. Anlässlich der Kampagne „Im Gespräch bleiben – Haltung zeigen“ sprachen wir mit Pflegedirektor Alberto Correia über Erfolgsrezepte bei der Rekrutierung und Integration von Pflegekräften aus dem Ausland. 

Herr Correia, Sie sind Pflegedirektor im Albertinen Krankenhaus und beschäftigen viele junge Menschen aus Portugal und anderen Ländern. Wie kam es dazu?

Alberto Correia: Im Albertinen Krankenhaus sind wir, wie die meisten Krankenhäuser, mit der Herausforderung konfrontiert, Fachkräfte zu gewinnen. Vor ca. 12 Jahren haben wir damit begonnen, Personal auch aus dem Ausland zu rekrutieren. Mit Hilfe unseres Kooperationspartners, durch den gute Beziehungen nach Portugal, Italien und Spanien bestehen, haben wir haben uns zunächst auf Portugal konzentriert, denn ich selbst wurde in Portugal geboren und habe dadurch einen Bezug zu Land und Leuten.

Wie rekrutieren Sie Fachkräfte? Was waren die ersten Schritte?

Anfangs bin ich mit unserem Kooperationspartner selbst nach Portugal gereist und habe Fachkräfte an den Universitäten angeworben. In diesem Rahmen habe ich unser Krankenhaus vorgestellt und junge Menschen motiviert, zu uns zu kommen. Mittlerweile entsende ich Kolleginnen und Kollegen, die selbst an diesen Universitäten waren. 

Dadurch entstehen authentische Testimonials: Sie haben sich selbst auf die Reise begeben, kennen die Chance, die sich dahinter verbirgt, wissen, was gut läuft, und erzählen auch von etwaigen Startschwierigkeiten. Denn auch Herausforderungen und Hindernisse sind erwähnenswert und sollen berichtet werden. Es ist mir ein Anliegen, den zukünftigen Kolleginnen und Kollegen einen authentischen Eindruck zu vermitteln, denn nur so können wir realistische Erwartungen schaffen und möglichen Enttäuschungen vorbeugen. Das Recruiting ist erfolgreich.  Auch in diesem Jahr konnten zwei Kolleginnen und Kollegen im Rahmen einer Recruiting-Reise bei 80 portugiesischen Pflegekräften das Interesse für uns und eine Zusammenarbeit wecken.

Wie gelingt die Integration der ausländischen Kolleg:innen? Und wann startet der Integrationsprozess?

Onboarding und Integration beginnen, bevor die Kolleginnen und Kollegen bei uns in Deutschland ankommen. Ich führe die Interviews vorab, es ist von Vorteil, dass ich keinen Übersetzer brauche. Die erste Hemmschwelle ist für Viele schon dadurch überwunden, dass sie mit mir in ihrer Muttersprache kommunizieren können, solange sie noch in den Anfängen ihrer Fertigkeiten in der deutschen Sprache sind. Für die Integration vor Ort haben wir freigestellte Praxisanleitende, welche die neuen Pflegekräfte zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit bei uns begleiten und sie sukzessiv und strukturiert über die Dauer von drei Monaten einarbeiten. 

Integration ist jedoch auch jedes Mal individuell. Meine Erfahrung zeigt, dass portugiesische Pflegekräfte wenig Herausforderungen dabei erleben, sich in Deutschland zu integrieren. Das liegt zum Beispiel daran, dass Portugal auch zu Europa gehört. In Hamburg leben zudem viele Menschen aus Portugal, es gibt viele portugiesische Cafés und Restaurants. 

Gibt es dennoch Schwierigkeiten hinsichtlich der Integration?

Das erste Jahr kann anstrengend sein. Die Pflegekräfte müssen die Sprache in all ihren Nuancen lernen und sind mit der Herausforderung konfrontiert, andere pflegerische Inhalte durchzuführen, als sie es aus Portugal gewohnt sind. Dazu kommt, dass sie weit von ihrer Familie und ihren Freunden entfernt sind.

Wir versuchen sie so gut wie möglich in diesen Herausforderungen zu begleiten. Das Ankommen in Hamburg und ihr Sprachkurs findet dann privat in Vereinen statt. Die Neuankömmlinge treffen sich mit anderen Portugiesinnen und Portugiesen und lernen die Stadt kennen. Sie erhalten Ansprechpersonen, die dasselbe durchlebt und ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Menschen, die Orientierung schenken und als Vorbild fungieren können.

Wenn ich im Haus rumgehe und frage: „Wie geht es euch?“, höre ich, dass sie sich in Hamburg wohlfühlen. Manchmal sagen Kollegen: „Ich gehe zurück, mir fehlen die Familie und meine Freunde“. Aber nur ganz wenige gehen dann wirklich.

Sie rekrutieren nicht nur in Portugal, sondern auch außerhalb der EU. Was sind da die Besonderheiten?

Inzwischen rekrutieren wir auch in Mexiko, in diesem Jahr konnten wir insgesamt 14 neue Kolleginnen und Kollegen gewinnen. Für 2025 sind es schon 21 Kolleginnen und Kollegen. Die Rekrutierung in diesem Land bringt andere Herausforderungen mit sich. 

Und anders als in der EU werden die Zertifikate und Bachelorabschlüsse der Pflegekräfte nicht anerkannt. Sie müssen in Deutschland ihr Examen noch einmal anerkennen lassen. Das dauert ein Jahr, in dem sie Deutsch lernen und dann die schriftliche, mündliche und praktische Prüfung absolvieren müssen. Die Hürde ist sowohl für sie selbst als auch für uns als Unternehmen deutlich höher.  Sie benötigen einen Arbeitgeber und Menschen, die alles dafür tun, dass sie ihre Prüfung bestehen und in Deutschland anerkannt werden.

Ich habe Praxisanleiter mit einer pädagogischen Ausbildung freigestellt, eine Vollzeitkraft und 2 Kollegen in Teilzeit mit 50%. Sie kümmern sich darum, dass die jungen Menschen aus Mexiko gut ankommen und integriert werden.

Wie ist die Mischung in Ihrem Haus? Und wie harmonieren die verschiedenen Gruppen? Gibt es mitunter kulturelle Schwierigkeiten, und wie gehen Sie damit um?

Ende letzten Jahres waren 110 Kolleginnen und Kollegen von ca. 800 Pflegekräften insgesamt aus dem Ausland. Kulturelle Schwierigkeiten gibt es mitunter, aber weniger bei den Kolleginnen und Kollegen aus Portugal. 

Wir haben auch in der Ausbildung viele Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund, etwa aus Iran, Irak, Syrien oder Afghanistan. Der kulturelle Kontext unterscheidet sich immer. Beispielsweise gehören Inhalte wie Nähe und Distanz sowie Berührung zu den Aufgaben von Pflegekräften in Deutschland. Ich sprach einmal mit einem Auszubildenden, der Schwierigkeiten damit hatte, wenn er etwa eine ältere Dame bei der Körperpflege unterstützen musste. Ein Anderer empfand es als Herausforderung, Anweisungen durch seien weibliche Vorgesetzte zu erhalten. In solchen Fällen biete ich ein Gespräch unter vier Augen an, in dem wir das gemeinsam sortieren. Das kann manchmal herausfordernd sein, eine Lösung ist aber dennoch möglich.

Wir rekrutieren nicht im Nahen Osten, integrieren mittlerweile aber Kolleginnen und Kollegen, die eine Ausbildung in diesen Ländern gemacht haben und im Rahmen von Asylverfahren nach Deutschland gekommen sind. Wir müssen nicht aktiv suchen, die Pflegekräfte sind bedingt durch Flucht schon in Deutschland. 

Es gilt jedoch zu bedenken: Diese Menschen kommen nicht freiwillig zu uns. Sie fliehen vor Krieg und haben mitunter traumatische Dinge erlebt. Die Lebenswelt von einem jungen Portugiesen, der studiert hat und in die weite Welt will, und jemandem, der aus Syrien dem Krieg entflieht, unterscheidet sich signifikant. 

Gibt es Unterstützungsangebote für ausländische Pflegekräfte, um Startschwierigkeiten von vorneherein abzufangen?

Wir bieten im Haus verschiedene Angebote auf unterschiedlichen Ebenen an: Zur Sprachförderung im Rahmen von Kursen, zur sukzessiven fachlichen Kompetenzentwicklung, zur Beratung und Begleitung im Rahmen ihres veränderten Lebensweges und zur Ankunft in einem fremden Land. Dabei profitieren wir auch von unseren unterschiedlichen Kooperationspartnern. 

Selbstverständlich halten wir selbst Strukturen bereit, wie beispielsweise Seelsorgende oder aversierte Kolleginnen und Kollegen aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die sich in Einzelfällen auch um die psychosozialen Belange unserer Mitarbeitenden kümmern.

Gibt es bei ihnen Teambuilding-Maßnahmen, damit die Beschäftigten zusammenwachsen?

Ja. Zum Beispiel auf der Ebene des Krankenhauses oder sogar auf Konzernebene. Das Besondere bei uns in der Pflege ist, dass Teambuilding jedoch auch bewusst in den Teams stattfindet. Die Kolleginnen und Kollegen frühstücken zusammen auf der Station, sie arbeiten nicht nur zusammen, sondern treffen sich auch privat.

Anhaltende Schwierigkeiten in Teams können auch ein Hinweis darauf sein, dass es Hilfe von außen bedarf– auch im Rahmen von Supervision und Coaching für die Teams von pme –Familienservice, um zu schauen, wo das Team steht und um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dabei ging es aber bislang nie um die Integration von Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, sondern um andere Themen.

Kommt es aufgrund der verschiedenen Backgrounds gelegentlich zu Konflikten?

Weniger mit examinierten Pflegekräften, die sich bewusst für den Beruf entschieden und bereits in ihn hineingewachsen sind, als mit Auszubildenden, die ihre Berufswahl nicht hinreichend reflektiert haben. Bei den Kollegen aus Portugal oder Mexiko spielt es keine Rolle, aus welchem Land und mit welchem kulturellen Hintergrund sie kommen. Da geht es eher um fachliche Themen.  Mit einigen jungen Menschen führe ich ab und zu Gespräche, in denen ich sie ermutige: „Lass uns bitte darüber reden, welchen Beruf du gewählt hast und was es für dich bedeutet, in Deutschland im Krankenhaus zu arbeiten“. 

Das heißt, Sie suchen erstmal das Gespräch und schauen, wo der Schuh drückt?

Auf jeden Fall, ja. Die jungen Menschen brauchen Orientierung. Ich war jahrelang aufgrund eines Projekts selbst in Afghanistan. Kulturelle Unterschiede gibt es in jedem Land.  Und wenn ein Mensch groß geworden ist, kann er seine Herkunft nicht einfach ablegen. Ich versuche im Gespräch zu erklären, dass hier in Deutschland vieles anders ist.

Haben Sie Empfehlungen für andere Unternehmen aus Ihrer Branche, die verstärkt aus dem Ausland rekrutieren möchten? Gibt es Erfolgsgaranten?

Wichtig ist die Haltung, dass ich Menschen langfristig nachhaltig binden möchte – statt dem Druck nachzugeben, möglichst viele Menschen zu bekommen, die schnell arbeiten können. Dazu gehört auch, die Menschen ankommen zu lassen, Zeit zu investieren und ihnen Raum für diesen großen Schritt und ihre Entwicklung zu ermöglichen.

Wertschöpfung und Wertschätzung sind für mich untrennbar. Ich denke humanistisch und werteorientiert.  Denn viele Pflegekräfte verlassen ihr Land und ihre Familie nicht nur freiwillig. Das gilt auch für die Portugiesen. Portugal ist ein wunderschönes Land, aber die Bedingungen für die Pflegekräfte sind in vielerlei Hinsicht suboptimal. Es gibt zu wenig Arbeitsplätze - und die sind schlecht bezahlt. 

Der Rest ist harte Arbeit: Ich muss Ressourcen schaffen, ich brauche Zeit für die Einarbeitung, Ressourcen für freigestellte Menschen, die sich um Integration kümmern, damit unsere neuen Pflegekräfte nicht nur „mitlaufen und zusehen“ und am dritten Tag alleine Verantwortung für eine Patientengruppe tragen. So soll es gerade nicht sein.  

Bei Ihnen arbeiten Menschen mit verschiedenen Religionen. Wie gehen Sie grundsätzlich mit religiösen Symbolen um?

Wir sind ein christliches Haus, wir haben eine Kirche im Krankenhaus, Bibeln in den Zimmern und viele religiöse Symbole und Angebote. Gleichzeitig bringen wir tiefen Respekt vor allen anderen Religionen mit. Bei uns arbeiten Frauen mit Kopftuch oder Bindi, das ist überhaupt kein Thema. Neben  Religionen ist auch das Thema Spiritualität von Relevanz für uns. Notwenige Bedingung bei der Ausübung von Religionen ist für uns jedoch, dass hygienische Vorgaben eingehalten und die Arme z.B. unbedeckt bleiben müssen. 

Die Essenz für professionelle interreligiöse Beziehungsgestaltung ist für mich der gegenseitige Respekt. Wenn beispielsweise ein Patient vor einer Operation beten möchte, weil er Angst hat, erwarte ich nicht, dass die zuständige Pflegekraft mit dem Patienten laut zusammen betet, wenn sie dies aus persönlichen Gründen ablehnt. Ich erwarte aber, dass der Patient Raum und Ressourcen dafür erhält und zudem einen Menschen zur Seite gestellt bekommt, der mit ihm zusammen das Gebet spricht.  

Vielen Dank für das Interview, Herr Correia!
 

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